BGH-Urteil: Verbraucherschutzverbände und Mitbewerber können Datenschutzverstöße vor Zivilgerichten verfolgen
von wiss. Mit. Jörn Schlieter
Am 27. März 2025 hat der BGH eine wegweisende Entscheidung getroffen, die sowohl für das Datenschutzrecht als auch für das Wettbewerbsrecht von erheblicher Bedeutung ist. In seinem Urteil Az. I ZR 186/17 bestätigte der I. Zivilsenat, dass Verbraucherschutzverbände und Mitbewerber befugt sind, Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften im Wege einer wettbewerbsrechtlichen Klage vor den Zivilgerichten zu verfolgen.
Dieses Urteil stärkt die Position von Verbänden und Mitbewerbern bei der Durchsetzung von Datenschutzvorschriften und schafft Klarheit über die Reichweite von Art. 80 Abs. II DSGVO. Zugleich entsteht dadurch aber auch eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es im Bereich Datenschutz zukünftig verstärkt zu Abmahnungen kommen wird.
Im vorliegenden Fall ging es um die in Irland ansässige Meta Platforms Ireland Limited, die das soziale Netzwerk Facebook betreibt. Auf der Internetplattform dieses Netzwerks befindet sich ein „App-Zentrum“, in dem Facebook den Nutzern kostenlos Online-Spiele anderer Anbieter zugänglich macht.
Der Dachverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer bemängelte, dass Facebook die Nutzer des „App-Zentrum“ nicht hinreichend über Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung ihrer personenbezogenen Daten unterrichte. Dies stelle einen Verstoß gegen die datenschutzrechtlichen Informationspflichten gemäß Art. 12 Abs. I S. 1 und Art. 13 Abs. I DSGVO dar. Der Verband sah darin zugleich ein wettbewerbswidriges Verhalten und hat Facebook auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Der BGH hat nun entschieden, dass ein solcher Verstoß gegen datenschutzrechtliche Informationspflichten wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche begründet und von Verbraucherschutzverbänden im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten verfolgt werden kann.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Verbraucherschutzverbände gemäß Art. 80 Abs. II DSGVO berechtigt sind, Datenschutzverstöße unabhängig von einem konkreten Auftrag einer betroffenen Person zu verfolgen. Diese Klagebefugnis erstreckt sich auch auf Mitbewerber, die ebenfalls Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften im Wege des Wettbewerbsrechts geltend machen können.
Im konkreten Fall wurde festgestellt, dass Facebook gegen die Informationspflichten der DSGVO verstoßen hat. Nutzer wurden nicht ausreichend über Art, Umfang und Zweck der Datenerhebung sowie über die Empfänger der Daten informiert, was eine informierte Einwilligung unmöglich machte. Der BGH sah hierin nicht nur einen Verstoß gegen die DSGVO, sondern auch eine unlautere geschäftliche Handlung nach § 5a UWG, da wesentliche Informationen für die Marktentscheidung der Verbraucher vorenthalten wurden.
Zudem wurde eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Facebook, die es Anwendungen erlaubte, im Namen der Nutzer zu posten, als unangemessen benachteiligend und damit gem. § 307 BGB als unwirksam eingestuft. Diese Entscheidung unterstreicht, dass datenschutzrechtliche Vorschriften so genannte Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG darstellen und somit auch wettbewerbsrechtlich relevant sind.
Das Urteil des BGH hat weitreichende Konsequenzen für Unternehmen, insbesondere für solche mit datengetriebenen Geschäftsmodellen. Besonders bedeutsam ist das nun verstärkte Risiko wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen und Klagen, denn neben möglichen Bußgeldern durch Datenschutzaufsichtsbehörden können Datenschutzverstöße jetzt auch von Wettbewerbern oder Verbraucherschutzverbänden zivilrechtlich verfolgt werden, was zu Unterlassungsansprüchen und potenziell hohen Schadensersatzforderungen führen kann.
Zudem müssen Unternehmen ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen kritisch überprüfen, da Klauseln, die nicht den Vorgaben der DSGVO entsprechen oder Verbraucher unangemessen benachteiligen, für unwirksam erklärt werden können und somit häufiger Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen sein dürften.
Diese dreifache Bedrohung – behördliche Sanktionen, Verbandsklagen und Wettbewerberklagen – schafft ein deutlich verschärftes Haftungsrisiko für Unternehmen und unterstreicht die Notwendigkeit einer umfassenden Datenschutz-Compliance-Strategie.
Das Urteil des BGH stärkt den Verbraucherschutz und setzt klare Grenzen für Unternehmen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen ihrer Geschäftsmodelle. Es unterstreicht die zentrale Rolle datenschutzrechtlicher Informationspflichten für eine informierte Entscheidung der Verbraucher und zeigt zugleich auf, dass Datenschutzverstöße nicht nur regulatorische Konsequenzen haben können, sondern auch Wettbewerbsrecht tangieren.
Für Unternehmen bedeutet dies eine doppelte Herausforderung: Einerseits müssen sie ihre Prozesse an die strengen Vorgaben der DSGVO anpassen; andererseits drohen bei Verstößen neben behördlichen Sanktionen nun auch zivilrechtliche Abmahnungen und Klagen durch Mitbewerber oder Verbände.
Falls Sie rechtliche Beratung bei der datenschutzkonformen Ausgestaltung benötigen, sprechen Sie uns gerne an. Wir sind telefonisch unter 0511 374 98 150 oder per E-Mail unter kontakt@recht-im-internet.de zu erreichen.
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