Das Thema Abmahnungen beschäftigt die Online-Welt wie kaum ein anderes. Nach wie vor ist die Anzahl gerade von offenkündig unseriösen Anwaltsschreiben in diesem Bereich hoch. Und immer noch ist die Gegenwehr auch gegen unberechtigte Abmahnungen alles andere als einfach. Nun scheint der Gesetzgeber endlich auf die lauten Rufe der Online-Händler zu reagieren!
Bereits seit 2018 werden im Rahmen des Gesetzesentwurfs zur Stärkung des fairen Wettbewerbs zahlreiche Änderungen zugunsten eines gerechteren Konkurrenzkampfes diskutiert. Dabei steht vor allem der derzeitige rechtliche Rahmen von Abmahnungen im Fokus: Der jetzige Stand ermöglicht nämlich mit einfachen Mitteln massives rechtsmissbräuchliches Verhalten, durch das Wettbewerbsteilnehmer zu Unrecht benachteiligt und oft durch horrende Vertragsstrafen existenziell gefährdet werden. Besonders eindrucksvoll wird dies deutlich, wenn man bedenkt, dass fast jeder zweite Onlinehänder schon mal abgemahnt wurde. Daher ist es umso wichtiger, die kommenden Gesetzesänderungen genauer unter die Lupe zu nehmen und auch den weiteren Weg des Gesetzesvorhabens zu verfolgen.
Die voraussichtlichen Änderungen im Überblick
Obwohl die geplanten Neuerungen schon lange im Gespräch sind konnte sich die Bundesregierung noch auf keine finale Version einigen, die auch der Öffentlichkeit vorliegt. Dennoch sind im Kern die folgenden Veränderungen zu erwarten, welche im Wesentlichen bereits im Gesetzesentwurf des vergangenen Jahres zu finden waren.
Verhinderung des Abmahnmissbrauchs
Die zentralste Änderung des neuen Gesetzes wird wohl den Wortlaut des § 8 UWG betreffen. Dort ist festgelegt, dass ein Unternehmen oder Freiberufler aufgrund von unzulässigen Geschäftshandlungen grundsätzlich von seinem Mitbewerber Beseitigung sowie Unterlassen verlangt werden kann. In seiner jetzigen Form spezifiziert das Gesetz jedoch grade in Bezug auf Mitbewerber nicht, welche Bedingungen diese im Detail erfüllen müssen, um den Anspruch überhaupt geltend machen zu können.
Dies wird sich für die Zukunft ändern. Es ist zu erwarten, dass der Gesetzestext um die Formulierung „jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt“ ergänzt wird. Dies ist sinnvoll, da der derzeitige Personenkreis an Berechtigten viel zu groß ist. Solange eine Abmahnbefugnis für „jeden Mitbewerber“ gilt, kann sich jeder, der auch nur entfernt gleiche Leistungen oder Waren anbietet, auf einen Wettbewerbsverstoß berufen. In der Praxis machen sich dies unseriöse Anbieter zunutze, indem gezielt bei Händlern nach abmahnberechtigenden Problemen gesucht wird, um diese Unternehmer abzumahnen und davon zu profitieren.
Wenn zukünftig definiert wird, dass Mitbewerber erheblich und regelmäßig am Markt beteiligt sein müssen, um sich auf § 8 UWG berufen zu dürfen, kann dies zur Verhinderung von Abmahnmissbrauch beitragen. Genau darin liegt jedoch auch noch ein Problem. Zwar ist es notwendig, das Merkmal des Mitbewerbers näher zu definieren, jedoch muss dies auf eine Art und Weise geschehen, durch die nur die unerwünschten, unseriösen Abmahner ausgeschlossen werden. Berufsanfänger und Händler mit Umsatzschwierigkeiten könnten beispielsweise Probleme damit haben, regelmäßigen und im in der Menge überzeugenden Handel nachzuweisen, daher würde der neue Textentwurf sie als Mitbewerber i.S.d § 8 UWG zu Unrecht ausschließen.
Des Weiteren wird wohl mit der Einführung eines § 8a sowie eines § 8b im UWG zu rechnen sein. Während § 8a neue Rahmenbedingungen für abmahnende Wirtschaftsvereine festlegt geht es in § 8b sehr konkret um das Verbieten von abmahnmissbräuchlichem Verhalten. Dafür sieht das Gesetz vor, „unangemessen“ hohe Gegenstandswerte von Mitbewerbern die Grundlage zu entziehen. Dasselbe soll für Abmahnungen gelten, die „erheblich überhöhte Vertragsstrafen“ ansetzen. Wie der Gesetzgeber sich das in der Praxis vorstellt, ist allerdings noch ziemlich unklar, da die Gerichte zurzeit mit ihren Ansichten bezüglich der anzusetzenden Streitwerte bisweilen weit auseinanderliegen. Falls tatsächlich angedacht ist, den Streitwert sowie die Höhe der Vertragsstrafen für Abmahnungen zu deckeln müsste man sich auf entsprechende Richtwerte einigen.
In Verbindung mit den Gerichten wird außerdem die Frage nach dem sogenannten fliegenden Gerichtstand interessant. Diese Rechtsfigur erlaubt es dem Klagenden, das Gericht selbst zu bestimmen, an dem er klagen will. Voraussetzung ist lediglich, dass der vermeintliche Verstoß im Internet überall abrufbar ist – was eigentlich immer der Fall ist. Nun wird jedoch über Einschränkungen dieser Möglichkeit diskutiert, da oft gezielt bei weit entfernten Gerichten geklagt wird, welche zulasten des Beklagten engere Rechtsauffassungen vertreten als die örtlichen Gerichte. Auf der anderen Seite verteidigen Anwälte diese Regelung damit, dass sich dadurch besonders spezialisierte Gerichte gebildete hätten, die über besonderem Sachverstand in ihrem jeweiligen Bereich verfügen.
Kostenerstattung vom Verursacher
Darüber hinaus soll Abmahnmissbrauch nicht nur verhindert, sondern künftig sogar bestraft werden. Wer eine überzogene Abmahnung erhält und daraufhin einen Anwalt zu Rate ziehen muss, soll die anfallenden Rechtsberatungskosten beim Gegner geltend machen können. Lediglich zwei Ausnahmen sind für diese Regel geplant: Zum einen soll bei Verstößen gegen die DSGVO, welche von kleineren Unternehmen gerügt werden, kein Ersatzanspruch bestehen. Diese Einschränkung dient dem Schutz von kleineren sowie mittelständischen Händlern. Zum anderen soll gleiches für Verstöße gegen § 5 TMG gelten, welcher sich vor allem auf Impressum und Widerrufsbelehrung bezieht.
Fazit
Die Bundesregierung plant derzeit, das neue Gesetz nach der Sommerpause zu verabschieden. Somit bleibt abzuwarten, wie die finale Version aussieht und wie die zahlreichen Rechtsprobleme unter dem Druck der jeweiligen Lobbygruppen gelöst werden sollen. Wir halten Sie in jedem Fall auf dem Laufenden!
Bis zu einer gesetzlichen Lösung des Problems gilt:
Wenn Sie abgemahnt wurden und rechtliche Beratung suchen helfen wir Ihnen gerne weiter! Sie erreichen uns telefonisch unter 0511 374 98 150 oder per E-Mail unter kontakt@recht-im-internet.de.