Emote-Ärger bei Fortnite – Der urheberrechtliche Schutz von Tänzen
von stud. iur. Marva Pirweyssian
Fortnite ist zurzeit eines der erfolgreichsten Online-Multiplayerspiele auf dem Spielemarkt. Im Onlineshop des Entwicklers Epic Games erfreuen sich sogenannte „Emotes“ – also gegen echtes Geld erwerbbare Posen und Bewegungen, mit denen die Figuren im Spiel beispielsweise Winken oder den Kopf schütteln können – besonderer Beliebtheit. Die begehrtesten Emotes führen sogar ganze Tänze von bekannten Schauspielern und Musikern auf. Viele Betroffene, deren Tänze von Epic Games ohne die Einholung einer entsprechenden Genehmigung verwendet wurden, sehen darin jedoch eine Verletzung ihrer Urheberrechte.
Der Schutz von Tänzen im deutschen Urheberrecht
Für die rechtliche Beurteilung des Streits um die Emotes ist entscheidend, ob die kopierten Tänze überhaupt urheberrechtlichen Schutz genießen. Nachfolgend soll die Schutzfähigkeit nach dem deutschen Urheberrecht näher beleuchtet werden.
Grundsätzlich werden nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 UrhG pantomimische Werke sowie die Tanzkunst geschützt. Unter schützenswerten Tänzen versteht das Gesetz ein körperliches Mittel zum Ausdruck der eigenen Identität, in dessen Bewegungen Gedanken oder Gefühle durch Körpersprache dargestellt werden. Eine klare Abgrenzung ist dabei zu der reinen Körperbeherrschung vorzunehmen, wie sie beispielsweise im Rahmen von sportlichen Leistungen vorkommt und welche keinen rechtlichen Schutz genießen. Entscheidend ist, dass die Bewegung nicht bloßer Selbstzweck ist, sondern als künstlerisches Gestaltungsmittel dient.
Um tatsächlich schutzwürdig zu sein, muss eine Tanzeinlage aus einer Choreographie bestehen, die vor einem Publikum aufgeführt wird. Choreografien zeichnen sich wiederum durch das Vorliegen eines intellektuellen Überbaus aus, welcher die einzelnen Elemente des Tanzes (z.B. Rhythmus, Bewegung, Darstellung einer Handlung in Begleitung von Musik) zu einem Werk verbindet. Bruchstücke der Gesamtchoreografie oder einzelne Bewegungsabläufe sind jedoch meistens aufgrund des kaum vorhandenen Gestaltungsspielraums, den solche Sequenzen zulassen, in der Regel nicht schutzfähig.
Die schützenswerte Choreographie muss überdies rechtlich getrennt von Fällen betrachtet werden, in denen Künstler Tänze mit der musikalischen Untermalung ihrer eigenen Musik präsentieren. Dabei wird keine Choreographie, sondern ein Gesamtwerk, also eine Verbindung von Musik und Tanz, geschaffen. Grundsätzlich genießt ein solches Gesamtwerk ebenfalls urheberrechtlichen Schutz, jedoch nur in seiner Gesamtheit. Würde man lediglich den „Tanzpart“ eines solchen Werkes separat betrachten, fehlt es ihm in der Regel an den urheberrechtlichen Schutzvoraussetzungen. Dies gilt insbesondere bei besonders kurzen Tanzsequenzen, die nur aus wenigen Bewegungen bestehen und denen infolgedessen die notwendige Individualität fehlt.
Interessant ist die Beurteilung des Falles nach dem deutschen Urheberrecht auch für ausländische Künstler, weil sie aufgrund des sogenannten „fliegenden Rechtsstandes“ die Möglichkeit haben hierzulande klagen zu können. Zwar ist es grundsätzlich so, dass nach § 32 ZPO nur an dem Ort geklagt werden kann, wo die vermeintliche Rechtsverletzung stattgefunden hat. Allerdings stellt ein Verstoß im Internet nach der Rechtsprechung überall dort eine unerlaubte Handlung dar, wo das entsprechende Material bestimmungsgemäß abgerufen werden kann. Wenn also über Fortnite in Deutschland rechtsverletzende Emotes käuflich zu erwerben sind, ist es als ausländischer Rechteinhaber möglich sich auf das deutsche Urheberrecht zu berufen.
Aktuelle Fälle: Die Choreographie vs. das Gesamtwerk
Die Tragweite der Differenzierung zwischen bloßen Bewegungen und Choreografien lässt sich an zwei unterschiedlichen Fällen, in denen Künstler sich aufgrund möglicher Urheberrechtsverletzungen beschwert haben, gut verdeutlichen.
Der aus der TV-Serie „Scrubs“ bekannte Darsteller Donald Faison — er spielte die Rolle des „Turk“ — dessen komplette Tanzeinlage einer “Scrubs“-Episode als Emote unter dem Namen „Default Dance“ übernommen wurde, könnte sich höchstwahrscheinlich erfolgreich auf eine Verletzung seines Urheberrechts berufen. Aus Interviews rund um die rechtliche Diskussion geht hervor, dass Faison den Tanz spontan und ohne jegliche Fremdanweisung aufgeführt hat. Darüber hinaus handelt es sich um eine vergleichsweise lange Sequenz, in der die Individualität des Schauspielers zum Ausdruck kommt. Die Choreographie von Faison würde daher mit hoher Wahrscheinlichkeit unter den Schutz des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UrhG fallen.
Deutlich problematischer gestaltet sich die Bewertung der Rechtslage im Fall des US-Rappers 2 Milly, dessen Tanz „Milly Rock“ als Emote unter dem Namen „Swipe it“ verkauft wird. Der Künstler hat in seinem Video zum Milly Rock keine durchgetaktete Gesamtchoreografie. Stattdessen rappt er, während die um ihn stehende Gruppe sich rhythmisch bewegt oder mitwippt. Der von Fortnite verwendete Abschnitt ist im Werk von 2 Milly nicht einmal 5 Sekunden lang. In dieser kurzen Zeit kann sich durch einige wenige Körperbewegungen kaum die eigene Identität entfalten. Weiterhin kann hier auch nur schwer von einem nennenswerten Sinnabschnitt gesprochen werden. Daher wird eine urheberrechtlich schützenswerte Tanzkunst mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vorliegen.
Einen urheberrechtlichen Schutz könnte 2 Millys Tanz jedoch gegebenenfalls als Gesamtwerk in Verbindung mit der dazugehörigen Musik erlangen. Das Emote würde also die Rechte des Rappers verletzen, wenn eine deutlich längere Sequenz übernommen worden wäre, welche – ähnlich wie bei Faison – durch ihre einzelnen Bewegungsabläufe klar seinem Tanz zuzuordnen ist. Wenn das Tanzemote jedoch so kurz bleibt wie es derzeit der Fall ist, könnte eine Rechtsverletzung nur dann zurecht beklagt werden, wenn der Spieleentwickler in Zukunft einen Musikausschnitt des Künstlers bei der Verwendung des Emotes abspielen würde. In diesem Fall wäre das Gesamtkunstwerk und nicht nur der Tanz als einzelner Teil betroffen, was wiederum die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, dass man von einer Verletzung der Urheberrechte ausgehen könnte. Dass Epic Games bei der momentan bereits heiklen rechtlichen Situation so weit gehen würde, ist jedoch stark zu bezweifeln.