Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung wird vor dem EuGH seit Mitte September wieder einmal über die Zukunft der deutschen Vorratsdatenspeicherung entschieden. Doch wie würde die Vorratsdatenspeicherung unser gesellschaftliches Leben überhaupt verändern?
Was war das nochmal mit der Vorratsdatenspeicherung?
Da das Thema Vorratsdatenspeicherung schon seit langer Zeit keine große mediale Aufmerksamkeit mehr genießt ist verständlich, dass viele gar nicht mehr genau wissen, was es damit auf sich hat. Unter Vorratsdatenspeicherung wird grundsätzlich die Erhebung und auf Dauer angelegte Speicherung von personenbezogenen Daten verstanden. Personenbezogene Daten wiederum sind nach Art. 4 DSGVO alle Informationen, die sich auf eine natürliche Person beziehen und grade durch den Inhalt der Daten die Ermittlung der Identität möglich machen. Beispielsweise gehören hierzu Angaben zum äußeren Erscheinungsbild oder des sozialen Hintergrundes. Darunter fallen aber auch Daten aus dem Bereich der Telekommunikation oder des Netzes wie Telefonnummern oder IP-Adressen.
Grundgedanke ist, dass durch Vorratsdatenspeicherung Kommunikationsdaten von Nutzern gesammelt werden, damit Strafverfolgungsbehörden diese für Ermittlungsarbeiten nutzen können. Konkret war eine Speicherung aller Standortdaten für vier Wochen sowie jeglicher Verbindungsdaten aus Internet- und Telefonnutzung der Bürger für zehn Wochen vorgesehen.
Auch ein Neuanlauf scheitert vorerst
Die vom deutschen Gesetzgeber erneut geplante Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung ab Juli 2017 wurde nie mit Leben erfüllt. Grund dafür war eine Entscheidung des OVG NRW in Münster, welches aufgrund der Datenspeicherung durch Internet- und Telefonanbieter vermeintliche Verstöße gegen Unionsrecht feststellte. Daraufhin setzte die Bundesnetzagentur die Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung aus, bis ein Urteil Klarheit in der Sache bringt.
Seitdem hat sich der EuGH immer wieder mit der Vorratsdatenspeicherung befassen müssen, zumal einzelne Mitgliedstaaten auf eine baldige juristische Lösung des Problems bestehen. So ist unter anderem stellvertretend durch diese Angelegenheit die Frage zu klären, ob das Recht zur Ausgestaltung von Sicherheitsgesetzen primär bei den einzelnen Staaten liegt oder eine einheitliche Regelung in der EU bestehen muss.
Was ist an der deutschen Variante anders?
Die Bundesregierung versucht bereits seit langem einen Weg für die Vorratsdatenspeicherung in das deutsche und europäische Rechtssystem zu finden. Das „Gesetz zur Einführung einer Speicherfrist und einer Höchstspeicherdauer für Verkehrsdaten“ ist kein eigenes Gesetz für die Vorratsdatenspeicherung, sondern enthält lediglich Änderungen für die Bereiche der Strafprozessordnung, des Strafgesetzbuches sowie des Telekommunikationsgesetzes.
Die wichtigste Norm zur Erhebung von Verkehrsdaten des Einzelnen ist der § 100g StPO. Diese bestimmt, dass bei Vorliegen eines begründeten Verdachts Telekommunikationsdaten einer Person erhoben werden dürfen. Die Auswertung dieser Daten könne jedoch erst nach richterlicher Anordnung erfolgen. Darüber hinaus soll auch keine Speicherung des Nachrichteninhalts erfolgen, sondern lediglich die Verbindungsdaten selbst müssten aufbewahrt werden. Dies soll in der Praxis ausreichen, um Handlungsvorgänge von Straftätern zurückzuverfolgen. Aus dem Schrift- und Telefonverkehr wäre nämlich klar zu entnehmen, wer wann mit wem kommuniziert hat — und wo er sich dabei befand.
Diese juristische Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung gilt als etwas datenschutz- und bürgerrechtsfreundlicher als bisherige Ansätze, weshalb die Bewertung durch den EuGH spannend wird. Solange keine Entscheidung des EuGH in der Sache vorliegt, hat das „Gesetz zur Einführung einer Speicherfrist und einer Höchstspeicherdauer für Verkehrsdaten“ jedenfalls keine praktische Relevanz.
Wie sinnvoll kann die Vorratsdatenspeicherung sein?
An der Sinnhaftigkeit der Vorratsdatenspeicherung scheiden sich schon lange die Geister. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass die zusätzlichen Verfolgungsmöglichkeiten dem Sicherheitsgefühl der Befürworter zugutekommen, während Kritiker die gesellschaftliche Freiheit unter dem Vorwand der Sicherheit in Gefahr sehen. Natürlich könnte niemand den absoluten Schutz von auf Vorrat gespeicherten Daten garantieren. Darüber hinaus wäre die Vorratsdatenspeicherung auch kein Universalmittel für die kriminalistische Aufklärungsarbeit – sie nützt den Ermittlern sowieso nur zur Aufklärung bereits begangener Straftaten.
Es kann aber nach bisherigem Stand nicht einmal sicher gesagt werden, ob die erhobenen Daten tatsächlich zur Verbrechensaufklärung beitragen würden oder sich andere Methoden der Kriminalistik als ohnehin effektiver herausstellen. Letztlich bleibt damit im Kern nicht viel mehr als das bloße Versprechen, dass die Vorratsdatenspeicherung ein sinnvolles Instrument der Verbrechensbekämpfung wäre, welches seine potenziellen Risiken wert sei. Die zentrale Frage ist somit, wie sehr wir als Gesellschaft gewillt sind Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen gutzuheißen. Wir sehen das sehr kritisch.
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